Ohrenkrankheiten

Ohrenkrankheiten
Ohrenkrankheiten,
 
Erkrankungen, die an den drei Hauptabschnitten des Höhrorgans auftreten.
 
Das äußere Ohr kann von Fehlbildungen der Ohrmuschel und des Gehörgangs betroffen sein; als Verletzungsfolge tritt die Ohrblutgeschwulst auf. Eine Verlegung des Gehörgangs durch Fremdkörper (v. a. bei Kindern) oder einen Ohrschmalzpfropf kann zu vorübergehender Schallleitungsschwerhörigkeit führen (Entfernung durch Ohrspülung). Die Gehörgangentzündung (Otitis externa) entsteht häufig durch Infektion bei unsachgemäßen Reinigungsversuchen oder beim Baden und äußert sich in Rötung, Fieber und Schmerzen; das Gehörgangekzem besteht in einer Entzündung der oberflächlichen Hautschichten des gesamten Gehörgangs und ist mikrobiell (z. B. fortgeleitete Mittelohrentzündung), seborrhoisch oder allergisch bedingt. Das Ohrfurunkel im Bereich des äußeren Gehörgangs ist besonders schmerzhaft und kommt v. a. bei Diabetes mellitus vor. Die Behandlung dieser Entzündungen umfasst die Einlage von alkoholgetränkten oder antibiotikahaltigen Mullstreifen, auch Spülungen oder die innerliche Gabe von Antibiotika. Tumore des äußeren Ohrs treten meist als Hautkrebs auf.
 
Zu den Ohrenkrankheiten im Bereich des Mittelohrs gehört der Tubenkatarrh, der durch eine Verlegung des Tubenausgangs im Nasen-Rachen-Raum (vergrößerte Rachenmandel, Tumoren) oder entzündliche Schwellungen der Ohrtrompete hervorgerufen wird und durch Störung des Luftaustausches zu einem Unterdruck im Mittelohr mit Schallleitungsschwerhörigkeit führt. Die Behandlung besteht in einer operativen Sanierung des Nasen-Rachen-Raums und/oder Entzündungsbekämpfung und der Gabe abschwellender Mittel. Beim Leimohr (Mukotympanon) kommt es infolge ungenügender Belüftung der Paukenhöhle zu einem zähflüssigen Mittelohrerguss bei Kindern (mit Hörbehinderung); die Behandlung erfolgt durch Trommelfelleinschnitt, Absaugen und Einlegen eines Drainageröhrchens (Paukendrainage). Die Mittelohrentzündung (Otitis media) gehört zu den häufigsten Ohrenkrankheiten; die akute Mittelohrentzündung wird meist durch eine über die Ohrtube aufsteigende bakterielle Infektion der Schleimhaut (z. B. bei Erkältungskrankheiten mit Schnupfen), seltener durch Infekte bei Trommelfellriss oder auf dem Blutweg als Komplikation bei Infektionskrankheiten (v. a. Scharlach, Masern, Grippe) hervorgerufen. Sie führt zu Sekretbildung, Rötung und Vorwölbung des Trommelfells durch Eiteransammlung, starken Schmerzen, hohem Fieber und Schallleitungsschwerhörigkeit; bei Platzen des Trommelfells entleert sich der Eiter in den Gehörgang (Ohrenfluss). Die Behandlung mit Antibiotika und abschwellenden Nasentropfen führt in der Regel innerhalb von 2 bis 4 Wochen zu einer Heilung; in Einzelfällen wird ein entlastender Trommelfellschnitt (Parazentese) vorgenommen. Komplikationen entstehen durch Übergreifen der Entzündung auf den darunter liegenden Knochen mit Einschmelzung des Warzenfortsatzes (Mastoiditis). In diesem Fall ist eine sofortige Ohraufmeißelung (Antrotomie) und Beseitigung des zerstörten Knochengewebes (Mastoidektomie) erforderlich. Andernfalls könnte eine weitere Ausbreitung zu schwerwiegenden Folgen führen (Labyrinthitis, Fazialislähmung, Gehirnhautentzündung, Hirnabszess, Sepsis). Die chronische Mittelohrentzündung entwickelt sich meist im frühen Kindesalter auf der Grundlage einer erblich bedingten Schleimhautdisposition. Sie tritt in Form einer auf die Schleimhaut beschränkten Entzündung mit Trommelfelldurchlöcherung, wechselnd starker Sekretion und Schallleitungsschwerhörigkeit auf oder mit einer gleichzeitigen Knochenentzündung im Bereich des äußeren Gehörgangs, meist verbunden mit der Entstehung eines Cholesteatoms; die Komplikationen dieser Form entsprechen denen der akuten Entzündung. Die Behandlung besteht in einem operativen Verschluss des Trommelfelldefekts durch Gewebetransplantation; bei Knocheneiterung ist gegebenenfalls ein operativer Eingriff mit Wiederaufbau der zerstörten Gehörknöchelchen (Tympanoplastik) erforderlich. Zu den verletzungsbedingten Schädigungen gehören v. a. Trommelfellzerreißung durch Überdruck im Gehörgang (z. B. bei Schlag auf das Ohr, Explosionen), Felsenbeinbruch oder direkte Perforation. Die Otosklerose besteht in einer erblich gehäuft vorkommenden, v. a. bei Frauen im mittleren Lebensalter auftretenden Knochenneubildung in der Steigbügelumgebung; durch Aufhebung der Beweglichkeit des Steigbügels (Stapesfixation) wird eine hochgradige Schallleitungsschwerhörigkeit hervorgerufen (Behandlung durch Steigbügeloperation).
 
Erkrankungen des Innenohrs sind die Innenohrentzündung mit Beteiligung des Gleichgewichtsorgans (Labyrinthitis), die meist als Folge einer vorausgegangenen Mittelohrentzündung auftritt und mit Innenohrschwerhörigkeit (bis zur Taubheit), Drehschwindel, Erbrechen und Nystagmus verbunden ist (Behandlung durch Beseitigung der Grundkrankheit, gegebenenfalls operativ). Häufigste Schäden, die im Alter fast jeden Menschen betreffen, sind die Altersschwerhörigkeit; bei akutem Sauerstoffmangel kommt es zum Hörsturz. Ungeklärter Ursache ist die Menière-Krankheit. Toxische Innenohrschädigungen stehen häufig in Zusammenhang mit einer Niereninsuffizienz oder einer Arzneimittelnebenwirkung (z. B. bei hoch dosierten Aminoglykosidantibiotika). Akustische Innenohrschädigungen entstehen durch akute oder chronische Überlastung und führen zu Lärmschwerhörigkeit. Gut- oder bösartige Tumoren können im Bereich des Innen- wie auch des Mittelohrs auftreten.
 
Die Diagnose der entzündlichen Ohrenkrankheiten wird v. a. durch Ohrspiegelung gestellt; durch Hörprüfungen lassen sich Grad und Entstehungsort einer Hörbehinderung ermitteln.
 
 
P. Federspil: Moderne HNO-Therapie (21987);
 C. Beck: Hals-, Nasen-, O. (51989);
 
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, bearb. v. F.-W. Oeken u. a. (71993).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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